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[Atopie 2.0?] Museum für Gegenwartskunst zugemauert

via SRF Regionaljournal:

Zugemauerter Eingang in Basel als Kunst- oder Protestaktion

Es war kein normaler Start in den Tag für die Mitarbeitenden des Basler Museums für Gegenwartskunst: Über Nacht hat jemand den Eingang zugemauert. Ein Bekennerschreiben gibt es nicht – Hinweise aber schon.

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«An Holzbeschlägen waren Ziegelsteine mit Klebeband angemacht. Man konnte nicht ins Museum hinein», sagt Michael Mathis, Sprecher des Museums, über die Situation am Donnerstagmorgen vor dem Eingang des Museums für Gegenwartskunst. Um den Museumsbetrieb weiter führen zu können, liessen sie die Mauer gleich einreissen.

Wer hinter der Aktion steckt ist unklar. Es gibt aber Hinweise: Vor einigen Tagen gab es an der Kannenfeldstrasse 59 eine Kunstaktionen. Die Künstlergruppe «Atopie» besetzte das leerstehende Haus und stellte darin ihre Kunst aus. «Es ist nicht auszuschliessen, dass es da einen Zusammenhang gibt», sagt Michael Mathis. Denn die Eigentümer des Hauses reichten Anzeige ein, worauf die Polizei die «Guerilla-Kunst» räumte und das Haus verbarrikadierte.

Es ist möglich, dass die Künstlergruppe «Atopie» mit dem Zumauern des Museums für Gegenwartskunst ein Zeichen setzen wollte. Ein Bekennerschreiben gibt es nicht, aber auf ihrer Homepage steht in einem neuen Eintrag: «Welche Kultur in Basel ist existenzberechtigt? Muss Kunst immer von kommerziellen Zwängen vereinnahmt sein?» Der Artikel steht unter dem Titel «Mauerbesichtigung».

Das Museum für Gegenwartskunst sieht die Mauer vor ihrem Eingang denn auch nicht als direkten Angriff gegen ihr Haus, sondern als Kunstaktion. Weil es keinen Sachschaden gab, will man auch keine Anzeige einreichen.

[Atopie 2.0] Flanage, Besetzung, Räumung

Am Sonntag, den 17. Mai 2015, wurde im Rahmen des Atopie-Projekts ein Haus an der Kannenfeldstrasse 59 besetzt und mit einer Kunstausstellung eingeweiht. Einen halben Tag später war bereits die Polizei im Haus. Mittlerweile wurde der komplette erste Stock zugemauert.

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Nachfolgend der Text zur Vernissage (weitere Texte und Statements finden sich auf atopie.net):

In Basel wir wieder besetzt. Das war lange Zeit nicht der Fall: Der Fall Villa Rosenau war jahrelang eine Einzelheit. Nachdem sie ein bisschen angekokelt war, wurde sie schnell eingerissen. Umstehende Wohnwagen wurden gleich auch noch zerstört. Es ging wenige Tage, da lag ein Parkplatz, wo vorher ein Haus stand.

Mittlerweile gibt es die Schanze, die Erle, den Wagenplatz und seit heute: Das Haus am Kannenfeldpark, besetzt von der Atopie. Atopie, was ist das? Die Novartis hat die entsprechende Homepage bereits auf Vorrat gekauft. Atopie, das ist irgend so ein Prozess von Nekrose, Zerstörung, die sich allenthalben breit macht, die unaufhaltbar ist aber medikamentös behandelt werden kann.Nun scheissen wir auf die Chemiemultis, auf den Daigg, auf die Idee, dass ein Problem mit Pillen weggezaubert werden kann. Wer so lange schluckt, verschluckt sich auch leicht.

Die Atopie, was ist das? Sie ist das nekröse Umtreiben im Getriebe, sie ist der öffentliche Platz, der sich erbricht, sie ist der juckende Wahn, der den eigenen Schorf aufkratzt. Ist das Kunst? Kann das weg? Das Lustige ist ja, dass kein Kunstkritiker diese Frage stellen wird, sondern die Basler Polizei.

Die Sommerabende beginnen, wir strömen in die Häuser. Wie schön sind die Häuser, in denen man verweilen kann, wo man nichts zahlen muss, nichts konsumieren muss, wo man draussen sitzt, es wird Fussball gespielt, vom Balkon röhrt eine Stimme ein paar Texte, im Hintergrund Performances (welch grässliches Wort). Billiges (ja, aber so wirklich billiges: lauwarme Pisse) Bier gibt es kostenlos, Knabberzeug und alles hat sich verkleidet: Alles macht auf elegant, ohne elegant zu sein: Ein Trauerzug des Erbärmlichen, oder aber Gesichter, die gegenüber des Bullenposten sich erdreisten, Recht und Ordnung und Verkehrsregeln beiseite zu lassen. Solche Leute sind ja mittelstandsverwahrlost, wer Sonntags nicht arbeiten geht, kann ja nur ein fauler Kunststudi sein…

Nein, es läuft etwas grundsätzlich falsch in diesem Land. In einem Land, in welchem man militärisch sich freundlich verabschieden und begrüssen soll, einem Land, in welchem man nicht mehr wissen will, woher man kommt und wohin es gehen soll. Da nimmt man es jenen übel, die sich zu Experimenten wagen, die noch wie Hyänen lachen können, die noch Lust haben und Leidenschaft in ihrem Leben kennen. Solche Leute sind verdächtigt, ausser sie machen es für Geld, fürs Prestige, ausser sie heissen Scope oder Landshift oder sie begnügen sich damit, einmal im Jahr zur Fasnacht zu Ringelreihentanzen mit Mehlsuppen im Arsch.

Basel ist so tot wie die vielen Häuser, die unbelebt sind. Ein Friedhof, den die Gier nach Geld erschaffen hat. Gibt es Hoffnung? Nein. Aber es gibt Experimente. Atopie, was ist das? Atopie, das ist ein Experiment. Wohin uns das führt, das weiss niemand. Die einen sagen, es geht um Kunst, andere, es ginge um Widerstand oder Politik. Wir strecken diesen, die so zu schubladisieren versuchen, den Mittelfinger raus und laden dazu ein, sich zu betrinken, vorbei zu kommen, zu rotzen und zerstörerisch zu erschaffen. Kreativ zu sein, heisst nicht, die Tempel der Kunst wie ein Bittsteller zu betreten. Kreativ zu sein, heisst auch, sich zu überlegen, wie ein Bullenauto in Brand gesetzt werden muss, dass die Explosion Applaus provoziert. Heisst, sich zu überlegen, wie stark das Drehmoment ist, wenn ein Basler Stadtrat aufgeknüpft wird. Das ist auch Physik, sicherlich. Aber es ist Sommer, und der gehört nicht den Politikern, nicht den Meteorologen, nicht den Bademeistern oder Türstehern, nicht den Chemiemultis, nicht den Sozialadetektiven, der Sommer gehört uns: Damit wir vielleicht sehen, dass nicht nur der Sommer, sondern dass eigentlich sogar alles uns gehören könnte, ohne dass wir die Papiertiger benötigen würden.

Wir wollen nicht mehr Brot für alle. Wir wollen die ganze Bäckerei.
Wir wollen nicht Basels Kulturlandschaft bereichern, oder dem Standort Basel einen Mehrwert bieten. Wir wollen ganz Basel.

Wir wissen, dass das die Gummiknüppelfabrikaten freut. Aber bis dahin machen wir, leben wir, experimentieren wir.