Geburtstagsumzug für die abgerissene Villa Rosenau

via indymedia.ch:

Am Samstag, den 28. September 2013, wurde in Basel die Besetzung der Villa Rosenau vor 9 Jahren gefeiert. Ca. 50 Personen zogen von der Villa Rosenau – mittlerweile ein Parkplatz – zum Voltaplatz und via Elsässerstrasse/Johanniterbrücke zur Klybeckstrasse. Endpunkt war das Restaurant Hirscheneck. Es wurde während des ganzen Umzuges gesprüht, geböllert und Flyer verteilt. Die Polizei war mit einigen Kastenwagen präsent, schritt aber zu keinem Zeitpunkt ein.

Nachfolgend der an der Demo verteilte Flyer:

You can destroy body but not soul!

Villa Rosenau

Im September 2004 ist die Villa Rosenau während einer “Wohnungsnot-Vokü” besetzt worden. Am 3. Februar 2013 brach wegen eines Kabelbrands ein Feuer aus, das “die Villa,” wie sie rundherum genannt wurde, beschädigte: Das Dach war zerstört, einige Zimmer und ein Wohnwagen ausgebrannt. Die Stadt nutzte die Gelegenheit und liess das einzige besetzte Haus Basels dem Erdboden gleich machen. Über ein Dutzend Menschen verloren ihr Zuhause, einige Hundert andere einen wichtigen Raum und Bezugspunkt in Basel. Wir wollen heute den 9-Jährigen “Geburtstag” der Villa mit diesem Umzug feiern.
Die Villa bot in den 8 1/2 Jahren, während denen sie besetzt war, Platz für vieles: Wohnraum, Konzerte, Infoveranstaltungen, Treffen, Partys, Werkstätten, Sporträume, ein Kino und mehr. Wir sind traurig und wütend, dass es die Villa nicht mehr gibt, aber wir wissen: Die Leute, die diesen Raum genutzt haben, sind nicht einfach verschwunden, die Ideen und Projekte noch immer vorhanden. Die verschiedenen Besetzungsversuche in diesem Jahr haben gezeigt, dass das Bedürfnis nach selbstbestimmten und unkommerziellen Räumen nach wie vor besteht. Sie haben aber auch gezeigt, dass die Stadt jede Besetzung räumen lässt und die Duldung der Villa wohl nur eine Ausnahme gewesen ist.

Macht und Raum

Der Kampf um Räume, die nicht vordefiniert und durchgeplant sind, wird in Basel (und auch anderswo) immer schwieriger. Quartiere wie das St. Johann oder Klybeck/Kleinhüningen waren und sind im Visier der “Stadtentwickler”, die von “sozialer Durchmischung” und “Aufwertung” reden, wenn sie genaugenommen Verdrängung und mehr Kontrolle meinen. Wenn wir uns gegen diese Entwicklungen stellen, so geht es uns dabei nicht um eine Romantisierung des Bisherigen, um eine “früher war alles besser”-Haltung. Wir sind nicht zufrieden, wenn alles so bleibt wie es ist oder wünschen uns in alte Zeiten zurück. Wir blicken nach vorne, wir wollen eine solidarische Gesellschaft von Freien und Gleichen, eine von Unten organisierte Stadt, in der die Bedürfnisse der BewohnerInnen zählen und nicht diejenigen von Novartis und Co.

Spaltung und Repression

Im Zuge der herrschenden Stadtentwicklung (und auch sonst) bedient sich der Staat Techniken sozialer Befriedung und Kontrolle, etwa der Spaltung in “intergrierbare” und “gefährliche” Elemente. Die Villa Rosenau, von ihren Gegnern als Hort “linksautonomer Krawallmacher” betitelt, galt als nicht integrierbar im Gegensatz etwa zu den Kulturschaffenden, die sich für die Zwischennutzungsprojekte am Hafen beworben haben. Auch weil es bei der Villa und anderen illegalen Besetzungen eben nicht nur darum ging, Raum für die eigenen Projekte oder “alternative Kultur” zu haben, sondern weil es immer um mehr ging, um Gesellschaft, Politik, unser Leben. Weil wir den herrschenden Verhältnissen unversöhnlich gegenüber stehen. Deswegen wundern wir uns auch nicht über Repression, empören uns nicht über “unverhältnismässige” Polizeieinsätze oder dumpfe rechte Hetze in der Zeitung oder im lokalen Fernsehsender. Wir erwarten nichts anderes von den Mächtigen.

Perspektive?

Uns geht es bei all dem also nicht nur um Räume, in denen wir unsere Projekte verwirklichen können. Uns geht es um mehr, viel mehr. Unser Wunsch nach Veränderung der Verhältnisse ist grundsätzlich, unser Verlangen nach herrschaftslosen Zuständen, Zusammenleben jenseits von kapitalistischer Verwertungslogik, Arbeitsfetisch und Wachstumswahnsinn zu stark um integriert zu werden. Uns ist ausserdem klar, dass alles miteinander verknüpft ist, und wir unseren Blick nicht nur auf Basel beschränken können. Letztes Wochenende wurde in Winterthur der Versuch einer Tanzdemo unter dem Namen “StandortFUCKtor Winterthur – Wir tanzen drauf” von der Polizei im Keim erstickt, unter dem Vorwand, die Demonstrant_innen hätten von Anfang an Gewalt eingesetzt, und nur durch den massiven Polizeieinsatz sei Schlimmeres zu verhindern gewesen. Wer dort dabei war weiss, dass alles ganz anders war und wird an die nächste Demo wohl auch eher mit Schutzbrille und Wut im Bauch kommen. Wir blicken jedenfalls in die Zukunft und werden neue Räume und Wege finden, um unsere Träume zu verwirklichen und werden andere mit ähnlicher Perspektive solidarisch unterstützen, hier und überall.

Und wir denken heute auch an den getöteten griechischen Antifaschisten Pavlos Fyssas, der letzte Woche in Piräus von einem Mitglied der faschistischen “Goldenen Morgenröte” erstochen wurde. Die politische Rechte sucht sowohl in Griechenland als auch in der Schweiz nach Sündenböcken für schwierige Verhältnisse – in der Wirtschaftskrise noch mehr als sonst. Auch dem stellen wir uns entgegen, hier und überall. Es gibt keine einfachen Antworten auf die herrschenden Verhältnisse, wie es uns die Rechten glauben machen wollen. Nationalismus war und ist eine beschissene Idee, die lieber früher als später sterben sollte. Dabei sind wir auch gerne behilflich.

9 Jahre Villa Rosenau – Wir feiern trotz Abriss. Es brennt weiter!

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