Folgender Flyer ist an der Demonstration für den Hafenplatz gestern Abend verteilt worden (Hier die PDF-Datei):
„Den Animatoren des «Uferlos» wünschen wir, dass sie den Weg der Illegalität verlassen und Ihre Energie mittels einem planungssicheren Projekt auf der Parzelle von Shift Mode einbringen.“
Zitat Verein Shit Mode
Dies erklärt der Verein Shit Mode in der Tageswoche. Was lesen wir daraus?
Menschen mit Hang zur Ironie sagen, der Verein Shit Mode habe überhaupt keine Ahnung, was er in den kommenden Jahren auf der Hafenparzelle treiben will. Die Schwammigkeit des formulierten Projekts und die offensichtliche Profilierungssucht der beteiligten Personen sprechen dafür.
Schaut man sich die Statements der Shit-Mode-Leute in den Medien an, wird klar, dass sie sich eher als «Verwalter» der kommenden Zwischennutzungen denn als eigentliche Zwischennutzer sehen.
Zwischen den regulären Zwischennutzern ganz unten und der Regierung ganz oben in der Hierarchie soll nun der Verein Shit Mode eine Zwischenstufe bilden. Sie wünschen sich engagierte Quartierbewohner_innen, die unter dem Banner von Shit Mode Projekte verwirklichen, bei denen Shit Mode aber immer das letzte Wort hat. In diesem nichtssagenden Rahmen hat alles Platz, was bereit ist sich unterzuordnen.
Ein so «organisch gewachsenes Projekt engagierter Quartierbewohner_innen», wie es das Uferlos darstellt, käme dem Verein da natürlich sehr gelegen. Sie müssten nichts tun, könnten sich das Uferlos einfach einverleiben, ihr Etikett darauf kleben und alle würden sie für ihre grossartige Zwischennutzertätigkeit loben. Arschlöcher.
Die beschriebene Sichtweise der Menschen mit Hang zur Ironie ist emotional verständlich; doch es geht um mehr, um viel mehr.
Letztlich ist es egal, wie profilierungssüchtig, karrieregeil, degeneriert und verblödet die Leute von Shit Mode sind: der Begriff Rekuperation beschreibt, grob zusammengefasst, die Wiedereingliederung eines subversiven Moments, einer subversiven Geste in die bestehende Ordnung. Beschreibt also genau das Bestreben von Shit Mode, das Uferlos zu legalisieren.
Vereinfacht: Etwas fällt aus dem Rahmen, eckt an, hätte das Potential, der herrschenden Ordnung gefährlich zu werden.
Denk beispielsweise an die Punks in den 80ern.
Das produziert ein Feedback in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in der Politik; also in der herrschenden Ordnung. In der Folge setzen verschiedenste Kräfte alles daran, diese subversive Geste zu entkräften, wieder in den Bereich des Kontrollierbaren, Steuerbaren, Lenkbaren zu holen. Das passiert fast ganz von alleine, ohne Strippenzieher und Weltverschwörung im Hintergrund. In diesen Prozessen verwirklicht sich die herrschende Logik jeden Augenblick aufs Neue.
Wie also entkräftet man eine subversive Geste von einiger Sprengkraft? Richtig, indem sie schnellstmöglich zur simpelsten Ware degradiert wird und sich somit auch den Gesetzmässigkeiten der Warenwelt unterwirft.
Im Endeffekt kaufen sich 15jährige zerrissene Jeans bei H&M, lassen sich vom Friseur den Iro stellen, ordern ihre Schlachtrufe-CD bei Ebay und denken das sei Punk. Was einmal scharfe Eckzähne und einen Beissreflex hatte, der sich sehen lassen konnte, wurde kontrollierbar und ungefährlich. Die Zähne sind gezogen.
Wenden wir das Ganze auf das Uferlos an: Dieser Ort ist wild gewachsen, ein Sammelbecken für alle möglichen Leute und vor allem eins: unglaublich undurchsichtig.
Die Kindergärtnerin, die am Samstag Nachmittag Kinderspielprogramm macht, fühlt sich dort genauso wohl wie der FCB-Fan und die anarchistische Steineschmeisserin. Das birgt natürlich einige Sprengkraft, oder anders gesagt: dieser Ort ist ein subversiver Gefahrenherd für alles, was von oben herab für das Hafenareal geplant wird.
Das weiss die Stadt, das wissen die Planerinnen und Planer von Rheinhattan. Also müssen sie etwas tun.
Und was genau tun sie?
Natürlich: man sucht sich einige linke Gutmenschen, die zu blöd sind hinter die Kulissen zu sehen. Der Vergleich mit der herkömmlichen Sozialdemokratie bietet sich an: rückgratlos, opportunistisch, und für einen von der Obrigkeit abgegebenen Krümel vom Kuchen noch für jeden Verrat an der Sache zu haben.
Die Geschichte gibt uns recht: Deutschland 1918, die 68er und die 80er Bewegung, die Antiglobalisierungsbewegung, die Frauenbewegung und und und.
Die Sozialdemokrat_innen haben noch immer bewiesen, dass sie sich prächtig darauf verstehen emanzipatorische Kräfte zu kanalisieren, sie in wohlgeordnete Bahnen zu lenken, die sich innerhalb des herrschenden Rahmens befinden.
Natürlich gibt es unter den Sozialdemokrat_innen immer auch noch einige Menschen, die wirklich etwas Grosses im Sinn haben und einfach von allen Seiten, zuallererst von ihren eigenen Führer_innen, verarscht werden; dergleichen lässt sich über Shit Mode nicht sagen, da sie ja in der Rolle der Führer_innen sind.
Diese vermitteln zwischen der Obrigkeit und dem potenziell subversiven Pöbel. Dabei übernehmen sie die Rolle der Obrigkeit gleich selbst, unter freundlicher Zuhilfenahme der von der Obrigkeit bereitgestellten Strukturen und Institutionen.
Für ein bisschen Selbstverwirklichung, Geld und Macht ist ihnen alles recht. Sogar, wenn ein organisch gewachsener „Ort der Begegnung“, der seinem Wesen nach ja eigentlich allen vordergründigen Verlautbarungen von Shit Mode entspricht, zerstört wird, weil er sich nicht unterordnet.
Völlig offensichtlich geht es um Macht und Kontrolle über das ausufernde Uferlos und nicht im geringsten um eine andere Sache als jene, die herrschende Ordnung zu zementieren.
Klingelt‘s? Shit Mode wurde von der Stadt eingesetzt, um den aufmüpfigen Hafenplatz zu kontrollieren und um die nicht linientreuen Zwischennutzungen von oben herab zu massregeln.
Es ist nur logisch, dass die Regierung diese Verantwortung niemandem überlässt, der den geplanten Entwicklungen auch nur minimalst hinderlich werden könnte. Die Intention der Regierung ist es, jene Teile des Hafenplatzes, die ihre Gesichter noch nicht der Transparenz geopfert haben, kontrollierbar zu machen, ihre Projekte in die Legalität zu überführen oder sie zu vernichten.
Ob den Leuten von Shit Mode ihre Rolle bewusst ist oder nicht, spielt nur insofern eine Rolle, als dass wir sie ihnen bewusst machen sollten.
DEN REKUPERATEUREN AUFS MAUL!