Archiv der Kategorie: Repression

Übersicht zum Basel18-Verfahren

gestohlen von barrikade.info (wird nach Möglichkeit ergänzt):

Zu den Prozessen :

- Es gibt unzählige Gründe wütend zu sein!
Text zum dem Umzug vom 24.06.2016

- Trotz verschobenem Urteil: zusammen gegen Repression
- Tag 1: Prozessbeobachtung
- Tag 2: Prozessbeobachtung
- Tag 3: Prozessbeobachtung
- Tag 4: Prozessbeobachtung
- Aufruf zur Solidarität 1
- Aufruf zur Solidarität 2
- antirepBar in Zürich
- Warum dich dieser Basler Massenprozess interessieren sollte
- InfoLoraFreitag über die Prozesse

Solidarität

- Solivideo – Kraft und Freiheit für alle Angeklagten!
- Soliwand für Basel18
- Intervention im St. Johann — Scherben bringen Glück
- solitranspi in Zürich
- Solidarität aus Berlin
- Solidarität mit allen von Repression Betroffenen!

Basel18: Demo nach vorläufigem Prozessende

gefunden auf barrikade.info:

Allein machen sie dich ein! Demo nach Prozessende

Am Montag ist der vorerst letzte Prozesstag zum so genannten „Basel18“-Verfahren zu Ende gegangen. Ein Urteil wird in den kommenden Wochen bis Monaten erwartet.


Rund 80 Menschen haben die Angeklagten am frühen Abend solidarisch in Empfang genommen. Die Menge hat sich dann gemeinsam vom Strafgericht Richtung Untersuchungs- und Ausschaffungsgefängnis für Frauen (Waaghof) bewegt, in umgekehrter Richtung des verhandelten Umzugs vom Juni 2016 – eine Strecke, die laut Staatsanwaltschaft in punkto Öffentlichkeitswirksamkeit keinen Sinn machen würde… Wir sehen das anders!

Die Stimmung war laut und kämpferisch, trotz des strömenden Regens. Es wurde gekleistert, Wurfzettel wurden geworfen und vereinzelt Pyros gezündet. Vor dem Gefängnis angekommen, grüssten eine Feuerwerksbatterie und zahlreiche Parolen die Inhaftierten. Solidarität an dieser Stelle insbesondere auch mit den kürzlich bei einem Zellenbrand verletzten Gefangenen! Vor Ort wurde zudem eine Rede gehalten, in der einerseits über den Prozessverlauf informiert, andererseits eine allgemeine Gefängniskritik geübt wurde.
Die Demonstration konnte sich problemlos am Theater auflösen, die Bullen waren lediglich im Hintergrund präsent. Es kam nach unserem Kenntnisstand weder zu Kontrollen noch Verhaftungen.
Wir finden es wichtig, im Angesicht der Repression zusammen zu stehen und zu zeigen, dass wir die Betroffenen nicht alleine und uns nicht einschüchtern lassen. Solidarität ist eines der zentralen Werkzeuge im Kampf für eine andere Gesellschaft.

Freiheit für die Angeklagten – nieder mit der Gefängnisgesellschaft!

Während der Demo wurde auch der folgende Flyer verteilt:

Ein solidarischer Beitrag zum Prozess gegen die Basel18

Zur Justiz als Methode der Widerstandsbekämpfung

Bei der Demonstration am 24.6.2016 nahm sich eine Gruppe unbekannter Menschen entschlossen die Strasse. Die Route führte an staatlichen Institutionen wie dem Gericht vorbei, welches tagtäglich Menschen zu einem Leben hinter Gittern verurteilt. Am Büro der SVP, welche durch ihre Politik Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt und Rassismus schürt. An der Helvetia-Versicherung, die Menschen aus ihren Wohnräumen verdrängt. Bei der Sicherheitsfirma Kroo-Security, welche mit der Überwachung und Sicherheitsmanie Profite macht. Mit Farbe und Steinen wurden deren Fassaden beschädigt: «Gegen Rassismus, Repression und Vertreibung» lautete die Parole. Auch die anrückende Polizei wurde von einigen mit Steinen auf Distanz gehalten.
Darauf folgte die Festnahme von vierzehn Personen, welche sich in der Nähe der Demoroute aufgehalten haben sollen. Fünf weitere Personen wurden später auf Grund von DNA-Spuren oder einer SMS angeklagt. Die Anordnung teilweise sehr langer Untersuchungshaft war der Beginn der Repression durch die Justizbehörden. Den Höhepunkt findet sie nun in den horrend hohen Forderungen von über 2 Jahren Freiheitsentzug für alle Beschuldigten. Es zeichnet sich ab, dass der Fall gegen die in Basel angeklagten Personen Signalwirkung haben und jedes zukünftige widerständige Handeln im Keim ersticken soll.

Die Entpolitisierung des Protests

Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass die Demo im Juni 2016 aufgrund ihrer militanten Form nicht politisch sein kann. Die Angriffe auf staatliche Institutionen, Sicherheitsfirmen und grosse profitorientierte Firmen werden als sinnlose Gewaltakte dargestellt.
Den Versuch, Proteste wegen ihrer angeblichen Ausübung von Gewalt zu entpolitisieren, haben wir in exzessiver Form nach dem Widerstand gegen den G20-Gipfel in Hamburg erlebt. Auf den erfolgreichen G20-Protest folgte der Versuch von Medien, Politiker*innen und Ermittlungsbehörden die Deutungshoheit über G20 zurückzugewinnen. Die vielen Aktionen gegen den Gipfel wurden mit altbekannten Begriffen wie «Krawallant*innen», «Zerstörungswut», «bürgerkriegsähnlichen Zuständen» oder «Mob» diffamiert. Dies legitimierte im Nachgang zahlreiche Schläge gegen linke Strukturen: Hausdurchsuchungen, Online-Pranger, das Verbot von Indymedia und sehr harte Haftstrafen. Wie beabsichtigt, interessierte es plötzlich niemand mehr, gegen was sich der Protest eigentlich gerichtet hatte.

Im Fall von Basel geiferte zum Beispiel Christian Keller im Dezember 2017 in der BAZ, dass die «Krawallmacher (vom Juni 2016) nicht ungeschoren davonkommen werden» und dass das Basler Gericht «dem Beispiel ihrer Kolleg*innen in Hamburg folgen solle, die nach den massiven G20-Ausschreitungen im Sommer 2017 kein Pardon kannten.» In der Anklageschrift und im Plädoyer rechtfertigt die Staatsanwaltschaft die krassen Haftanträge dann mit Begriffen wie «Saubannerzug» oder «paramilitärisch organisierter Mob». Und vertuscht damit gleichzeitig die Gewalt, die von denjenigen ausgeht, gegen die sich der Protest richtete.

Es lässt sich jedoch nicht bestreiten, dass es sich damals um eine entschlossene widerständige Aktion handelte. Sie richtete sich ausschliesslich gegen Institutionen, die an der Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse interessiert und beteiligt sind. Wie auch immer die eigene Haltung gegenüber Gewalt als Mittel ist, so müssen ebendiese Institutionen auf die eine oder andere Weise angegangen werden, wenn der Wunsch nach einer Umwälzung dieser Machtverhältnisse besteht. Es kann durchaus Sinn machen, mit Farbe und Steinen die Fassaden jener Institutionen und Unternehmen zu beschädigen, welche tagtäglich Gewalt gegenüber Menschen zu verantworten haben. Welche Menschen einsperren, aus Armut Profit schlagen, Leute aus ihrem Wohnraum verdrängen oder sich dem Schutz und der Vermehrung von Privateigentum verschrieben haben.
Dank einer breiten Solidarisierung mit den Basel 18 so wie auch zum Teil starken politischen Plädoyers der Verteidigung konnte dieser Entpolitisierung auch tatsächlich etwas entgegengehalten werden.

Kollektive Strafen aufgrund politischer Gesinnung

Obwohl die Staatsanwaltschaft versucht, die politische Motivation der Demo im Juni 2016 als Maskerade abzutun, durchleuchtet sie die politische Haltung der Angeklagten. Die Tat und die gewählten Mittel seien unpolitisch, die Täter*innen jedoch politisch motiviert.
Es wird eine Gruppe konstruiert, welche «gezielt, koordiniert und arbeitsteilig» die Demo organisiert hätte; in sogenannter Mittäter*innenschaft. Da aber keinerlei Beweise für eine koordinierte Durchführung vorliegen, reiht sich eine haltlose Behauptung an die nächste. Massgebend für die erzählte Geschichte ist die politische Zuordnung der Angeklagten. So wird ein anarchistischer Sticker im Zimmer zu einem Beweis für die Bereitschaft zur Tat.
Die Beschuldigten sollen vor allem aufgrund der Persönlichkeit und Gesinnung verurteilt werden, die Tat und ihr Beweis selbst werden zur Nebensache. Diese Methode wird Täter*innenstrafrecht genannt und ist von totalitären Systemen her bekannt.
Ginge es nach der Stawa, soll es in Zukunft reichen, an einer Demo beteiligt zu sein, um z.B. für Sachbeschädigungen bestraft werden zu können. So sollen Menschen davon abgehalten werden überhaupt auf die Strasse zu gehen und ihrer Meinung und Kritik öffentlich Ausdruck zu verleihen. Denn wer weiss, vielleicht könnte bei der Demo ja eine Scheibe eingeschlagen oder ein Hauswand versprayt werden.

Spaltung zur Bekämpfung aufständischer Bewegungen

Eine weitere Funktion der Aufstandsbekämpfung durch Kriminalisierung und Entpolitisierung besteht in der Förderung von Spaltungstendenzen innerhalb linker Bewegungen. Medien, Politiker*innen oder eben auch die Justiz massen sich immer wieder an, verschiedene Protestformen in legitim und illegitim einzuteilen.
Ein Beispiel dafür ist die Berichterstattung zu den Climate Games in Basel im Sommer 2018. Dabei war in der Tageswoche die Behauptung zu lesen, dass sich die weissen Anzüge der Klimaaktivist*innen als Abgrenzung zum sogenannten Schwarzen Block verstünden. Dies impliziert, dass beides klar eingrenzbare, konkurrierende Gruppierungen seien. Dabei handelt es sich sowohl bei den weissen Anzügen wie auch bei der schwarzen Vermummung um eine strategische Reaktion auf die Verschärfung der Repression durch Videoüberwachungen und mobile Kameras bei Polizeieinsätzen.

Doch wir sollten auf der Hut sein, wenn die Medien oder die Politik unsere Methoden beurteilen. Es wurde in der Vergangenheit politischen Bewegungen schon viel zu oft durch Spaltung und Vereinnahmungen der Wind aus den Segeln genommen. Die Trennlinie sollte nicht anhand der Gewaltfrage gezogen werden. Vielmehr sollten wir uns in Austausch und Auseinandersetzung miteinander solidarisieren und gegenseitig konstruktiv kritisieren. Wir sollten unsere Gemeinsamkeit in dem Bestreben nach einer Umwälzung und im Widerstand gegen jene suchen, die die bestehenden Machtverhältnisse stützen und ausweiten.

Der Prozess gegen die Basel 18 ist somit gegen uns alle kämpferischen und solidarischen Menschen gerichtet! Doch wir lassen uns weder unsere Inhalte, unseren Mut noch unseren Widerstand nehmen! Auf, jetzt erst recht!

P.S.

Achtet auf weitere Ankündigungen in Bezug auf die Urteilsverkündung und macht euch nach Möglichkeit selbst Gedanken darüber, wie wir uns solidarisch zeigen können.

Prozessbeobachtung Basel18

gefunden auf Antirep Basel:

Tag 1

Ein erster anstrengender Prozesstag gegen die 18 Beschuldigten in Basel ist vorüber.Am Morgen wurden die Angeklagten von ca. 100 solidarischen Menschen zum Gericht begleitet. Auch viel Presse und Polizei war vor Ort.

Die Einlasskontrollen bestanden aus 2 Checkpoints, was den Beginn der Verhandlung verzögerte. Alle Betroffenen sind wegen einer Demo am 24. Juni 2016 angeklagt. Bei einigen Personen wurden auch noch andere Verfahren mit dem Fall zusammengelegt. Markant ist, dass sich die Staatsanwaltschaft in mehreren Fällen  bloss auf eine angebliche Mittäterschaft bezieht und kaum handfeste Beweise gegen einzelne Personen hat. Es kann einzelnen Personen weder eine Beteiligung und noch viel weniger eine konkrete Tat nachgewiesen werden. Deshalb versucht die Staatsanwaltschaft, aus den Personen eine Gruppe zu konstruieren, die alles gemeinsam geplant und ausgeführt hätte.

Am ersten Tag ging es weniger um inhaltliche Punkte, sondern hauptsächlich um Verfahrensfragen.  Von den Anwält*innen wurde dabei vor allem kritisiert, dass Staatsanwaltschaft und Gericht auf verschiedenste Weise essentielle Verteidigungsrechte verletzt haben. Dabei ging es um Vorfragen wie die Verwertbarkeit von Aktenstücken, den knappen Zeitplan, die Befangenheit des Gerichts oder die tendenziöse Sprache der Anklageschrift. Zudem  wurden zahlreiche Beweisanträge gestellt, wie etwa die Vorladung diverser Zeug*innen, das Sichten von Videoaufnahmen oder die Ermittlung weiterer möglicher Zeug*innen.

Das Gericht entschied unter Protest der Verteidigung, die Vorfragen und Beweisanträge erst nach den Plädoyers, zusammen mit den inhaltlichen Erwägungen zu den Vorwürfen, zu beraten. Ebenso entschied das Gericht, dass weder vertagt noch eingestellt wird. Was hingegen auch die 3er-Besetzung einsah war, dass der Zeitplan wohl etwas gar ambitioniert angesetzt war und sie entschied deshalb, auch den Montag für Plädoyers freizugeben sowie die Urteilsverkündung zeitlich weiter nach hinten zu verschieben.

Als es am späten Nachmittag dann zur Befragung der Beschuldigten kam, machten diese keine Aussage zur Sache, bis auf eine Person, die angab, nicht in Basel gewesen zu sein. Eine Person sagte etwas zu ihrer beruflichen Situation.

Für morgen Vormittag ist das Plädoyer der Staatsanwaltschaft geplant, ab dem Nachmittag sollen dann die Plädoyers der Anwält*innen beginnen. Das Urteil wird definitiv nicht wie geplant nächsten Dienstag verkündet werden, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, den das Gericht noch nicht bekannt gegeben hat.

Wir wünschen allen Beschuldigten viel Kraft und alles Gute. Wir zeigen uns solidarisch mit allen von Repression Betroffenen, egal ob „schuldig“ oder „unschuldig“ aus Sicht von Staatsanwaltschaft, Gericht und Medien (die schon über die Schuld entschieden haben).

 


Tag 2

Heute fand in Basel der zweite Prozesstag gegen 18 Personen statt, denen die Teilnahme an einer Demonstration im Juni 2016 vorgeworfen wird. Der heutige Tag, dieser als Schauprozess gegen die „linke Szene“ inszenierten Veranstaltung, war ein emotionales Auf und Ab: Am Morgen verlas die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift und forderte horrende Strafen für alle Beschuldigten. Von 22 Monaten bedingt auf 4 Jahre Probezeit, 25 Monaten teilbedingt bis zu 38 Monaten unbedingt! Am Nachmittag hielten die ersten Anwälte ihre kämpferischen Plädoyers.

Die Staatsanwaltschaft unterstreicht mit den gefordeten Strafmassen, dass sie kollektiv bestrafen will. Allen Angeklagten werden alle vorgeworfene Tatbestände in Mittäterschaft angehängt. Dies, ohne irgend eine einzelne Tat konkret mit einer Person in Verbindung bringen zu können. Dieses Experiment in Kollektivbestrafung stützt sich auf eine äussert dünne Beweislage und eine gewagte Argumentationskette. Beweise, die belegen würden, dass die Beschuldigten von Beginn an (oder überhaupt) an der fraglichen Kundgebung teilgenommen haben oder wer was (oder überhaupt etwas) kaputt gemacht haben könnte, fehlen. Desweiteren gingen beschlagnahmte Gegenstände verloren oder wurden teilweise wllkürlich Beschuldigten zugeordnet. Und auch die polizeilichen Protokolle strotzten teilweise vor Widersprüchen – wie etwa welcher Polizist nun welche Person verhaftet hat, etc. Nichtsdestotrotz beharrte die Staatsanwaltschaft – auch aufgrund des starken politischen und öffentlichen Druckes – auf ihrer Theorie der „gleichmassgeblichen und arbeitsteiligen“ Mittäterschaft aller Beschuldigten. Ein Konstrukt, welches rechtsstaatlich betrachtet bestenfalls als fragwürdig bezeichnet werden kann.

Weil für die Behauptung einer „bestens koordinierten Gruppe“ keinerlei Beweise existieren, stützt sich die Staatsanwaltschaft massgeblich auf eine ominöse Liste mit den Namen einiger Verhafteter, die einige Tage nach den Ereignissen vom 24. Juni 2016 bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurde. Die Person, bei welcher die Liste gefunden wurde, wurde mehrfach als „Schaltzentrale“ dieser „paramilitärischen“ Vereinigung bezeichnet – ungeachtet der Tatsache, dass das Verfahren gegen diese Person bereits eingestellt worden ist. Mit dieser Fabel verdrehte die Staatsanwaltschaft nicht nur auf perfide Art Ursache und Wirkung – sondern sie versuchte ganz klar auch solidarische Unterstützung der Betroffenen und Antirep-Arbeit ganz allgemein zu kriminalisieren.

Ansonsten zeigte sich die Staatsanwaltschaft jedoch nicht so eindeutig in Bezug auf die Bedeutung der politischen Gesinnung der Angeklagten. Nebst der wiederholt betonten Entpolitisierung der Demonstration (nur gewaltfreie Demos haben einen Anspruch politisch zu sein, die gewählte Strecke konnte nicht die typisch gewünschte Appellwirkung mit viel winkenden Zuschauer*innen erzielen, die Betroffenen hätten aus rein kriminellen Motiven gehandelt,….) wurden Aussehen, Kleidungsstil, Stickers – gesehen bei Hausdurchsuchungen – plötzlich zum Ur-Indiz eines Tatmotivs und im selben Atemzug kriminalisiert.

Den Gebrauch des Aussageverweigerungsrecht (in Basel manchmal sogar in Anführungszeichen „Schweigerecht“ genannt) verletzte die Staatsanwaltschaft so, dass sie daraus Uneinsichtigkeit, fehlende Reue, Unbelehrbarkeit, überzeugte Gewalttäter*innenschaft oder aktive Mitgliedschaft in der „linken Szene“ ableitet. Dadurch erhöhte sie teilweise das Strafmass (um 2 Monate Haftstrafe) und stellte allen eine schlechte Legalprognose in Aussicht.

Die Anwält*innen, die heute zu Wort kamen, plädierten alle überzeugt für Freispruch, betonten die Absurdität der Beschuldigungen und gefordeten Strafen und verlangten teilweise Genugtuung.

Oder auch in den feurigen Worten des Verteidigers M. Bosonnet: „auf einen gemeinsamen Umbruch…“ und: „wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.“


Tag 3

„Die These der Staatsanwaltschaft steht nicht auf Sand, sie liegt im Sumpf,“ -Verteidiger Bernard Rambert

Am dritten Prozesstag wurden die Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt. Heute waren sechs Anwälte und eine Anwältin dran. Alle zeigten die Absurdität des Verfahrens auf und dekonstruierten die vermeintliche Indizien- und Logikkette der Staatsanwaltschaft. Die Verhältnismässigkeit und Relation zur Wirklichkeit wurden immer wieder in Frage gestellt. So zum Beispiel die Rechnung eines Anwalts, dass insgesamt fast 40 Jahre Knast (!!) für einige kaputte Fensterscheiben gefordert werden.

Die Verteidiger*innen zeigten auf, dass die Staatsanwaltschaft äusserst mangelhaft ermittelt hat, dass die Rechte der Angeklagten massiv verletzt wurden und dass sowiso keine Beweise für ihre Theorie der organisierten Gruppe und damit der Mittäterschaft existieren. Eigentlich kann die Staatsanwaltschaft nicht einmal eindeutig beweisen, dass die einzelnen Beschuldigten überhaupt dort gewesen sein sollen.

Die als Beweise aufgeführten Polizeirapporte stecken voller Widersprüche und Ungenauigkeiten. Bei einigen ist nicht mehr nachvollziehbar, wer sie geschrieben hat, bei anderen stellte sich heraus, dass sie von Polizist*innen geschrieben wurden, die nicht vor Ort gewesen waren –„Boxi war gar nicht da“. Teilweise soll die selbe Person an mehreren Orten gleichzeitig verhaftet worden sein. Die wenigsten Beamten vor Ort wurden jemals korrekt einvernommen. Ebenso wurden die Zeug*innen ohne Beisein der Verteidigung befragt. Damit verletzte die Staatsanwaltschaft konsequent die Teilnahme- und Konfrontationsrechte der Angeklagten, indem sie ihnen die Möglichkeit nahmen, eigene Fragen zu stellen.

Bei vielen Angeklagten wurde die notwendige Verteidigung viel zu spät einberufen. Bei schweren Vorwürfen MUSS eine angeklagte Person ab der ersten Vernehmung eine professionelle Verteidigung haben. Bei manchen Angeklagten dauerte dies bis zu einem Jahr!

Die Staatsanwaltschaft versucht, diese Vorwürfe abzuwehren, indem sie der Verteidigung vorwirft, diese Mängel erst während des Prozesses aufzuzeigen. Laut ihr hätten die Verteidiger*innen während der Untersuchung genügend Zeit gehabt, zu fordern, dass das Verfahren rechtskonform geführt wird. Damit versucht die Staatsanwaltschaft wieder einmal, die Beweislast der Verteidigung zuzuschieben. In anderen Worten: Die Verteidigung soll offenbar dafür verantwortlich sein, dass die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit nicht korrekt gemacht hat.

Den Verteidiger*innen gelang es zu beweisen, dass die Staatsanwaltschaft Tatsachen bewusst so verdrehte, dass sie in ihre Theorie passen. So wurden beispielsweise bei mehreren Angeklagten SMS komplett aus dem Kontext gerissen und zu (den einzigen) „Beweisen“ hochstilisiert, dass diese Personen Teil der Demonstration gewesen seien.

Der Prozess wird am Montag mit den verbleibenden sieben Plädoyers fortgesetzt.

In Solidarität mit den Angeklagten!


Tag 4

Heute Montag endete der vierte und letzte Prozesstag gegen die „Basel 18“ vor dem Strafgericht BS. Nun wird das Gericht beraten. Wann die Urteilsverkündung angesetzt wird, ist noch unklar.

Zentrales Thema an diesem letzten Tag bildete die Verwertbarkeit und Aussagekraft von DNA-Spuren. Mehrere Beschuldigte stehen nur vor Gericht, weil die Polizei Gegenstände mit ihrer DNA im weiteren Umfeld der Demo gefunden haben will. Namentlich ging es dabei einmal um eine Mütze und einmal um eine PET-Flasche. Weiteren Beschuldigten, die in der Demo-Nacht verhaftet worden waren, werden DNA-Funde auf Jacken, Handschuhen und Anderem zugeordnet.

Darum haben sich mehrere der Verteidiger*innen in längeren Ausführungen mit der Frage der Beweiskraft von DNA-Spuren beschäftigt.

Fazit: DNA-Spuren beweisen bei genauerer Betrachtung herzlich wenig. Eine DNA-Spur am Tatort beweist noch lange nicht die Täter*innenschaft des/der Spurengeber*in.  Das gilt insbesondere auch dann, wenn die/der Spurengeber*in keine plausible Erklärung für die Spur hat. Mehrere Verteidiger*innen brachten  Beispiele dazu: Erstens ein Appelationsgerichtsurteil, wonach eine DNA-Spur an einem Stein vor einer eingeschlagenen Fensterscheibe kein ausreichender Beweis sei; Zweitens hatte das Bundesstrafgericht 2017 eine Person frei gesprochen, obwohl deren DNA am Zünderhandy einer Autobombe gefunden worden war. Und drittens entschied das Bundesgericht im September 2018, dass eine DNA-Spur an einem Tatort alleine kein Beweis sein dürfe.

Zusätzlich betonte die Verteidigung, dass die Fundorte der Gegenstände teils extrem ungenau protokolliert oder widersprüchlich seien. So sei z.B. ein Gegenstand gleichzeitig an der Spitalstrasse und im botanischen Garten gefunden worden. Ein anderer hat sogar eine Dreiteilung durchmachen müssen: Petersgraben, Spitalstrasse und Steinengraben. Einige dieser Fundorte liegen nicht an der Demoroute.

Ausserdem sei in einigen Fällen auch nicht klar, ob in der „Überforderung und Hektik“ dieses Abends Polizist*innen nicht „aus Versehen“ Kleidungsstücke vertauscht oder einfach willkürlich jemandem zugeordnet haben könnten. Die Verhafteten waren zum Teil gezwungen worden, sich Jacken, Schutzbrillen u.ä.  für Fotos anzuziehen. Dies mache nachträglich festgestellte DNA-Spuren auf diesen Gegenständen nutzlos.

Aus der Menge und Qualität der DNA-Spuren kann nicht geschlossen werden, wie lange, wann und ob überhaupt eine Person Kontakt mit dem Gegenstand hatte. Dem widersprach der Staatsanwalt: In der gängigen Praxis werde davon ausgegangen, dass ein DNA-Hauptprofil beweise, wer einen Gegenstand als letztes berührt habe.

Daneben stritten sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung ein weiteres Mal darüber, wie eine Aussageverweigerung zu bewerten sei. Staatsanwalt Cabrera behauptete weiterhin wider jeglichen rechtsstaatlichen Grundsatzes, dass sich jemand, der/die die Aussage verweigere, verdächtig mache. Wer unschuldig sei, würde Aussagen machen, um sich zu entlasten. Wer die Aussage verweigere, habe etwas zu verbergen.

Diese Argumentation entlarvte einmal mehr, dass die Staatsanwaltschaft alles so dreht, wie es ihr passt, um die Beschuldigten zu verurteilen. Denn den beiden Angeklagten, die Aussagen gemacht hatten, wurde einfach unterstellt zu lügen, was als Beweis für ihre Schuld dargestellt wurde.

Die Verteidigung betonte dagegen immer wieder vehement, dass das Aussageverweigerungsrecht in der Bundesverfassung verankert ist, und eben gerade NICHT gegen den/die Beschuldigte*n verwendet werden darf.

Zum Schluss des Tages sorgte der Staatsanwalt für Heiterkeit, als er bei einer der Angeklagten, die erst später wegen einer DNA-Spur ins Verfahren geriet, behauptete, sie sei ja an der Demo verhaftet worden. Offenbar konnte er selber nicht glauben, dass diese PET-Flasche der einzige „Beweis“ gegen diese Person sein könne…

Die Frage des Richters, ob die Beschuldigten zum Schluss noch etwas sagen wollten, wurde mit Schweigen beantwortet.

Zum Abschluss informierte der Richter alle Anwesenden, dass vor dem Gericht noch eine Kundgebung/Demonstration statt finden werde. Ob er sich damit wohl der Mittäterschaft schuldig gemacht hat…?

Der Tag der Urteilsverkündung ist noch unbekannt.

Nach dem Prozess wurden die Angeklagten trotz miesestem Wetter von rund 80 solidarischen Personen empfangen.

Wir schliessen mit den Worten eines Verteidigers:

„Gegen einen gentechnischen Absolutismus!“

Räumung der Elsi 3.0

gefunden auf barrikade.info:

Die Elsässerstrasse 128-132 wurde heute, 17. Oktober, Morgen um 6 Uhr durch ein Grossaufgebot geräumt. Es waren insgesamt ca 30 Personen der Polizei, Sanität und Feuerwehr im Einsatz.
Weitere Informationen werden folgen.

Lautlos versuchte sich die Polizei an das Haus heranzupirschen.

Update 11:20
Zur Räumung der Elsi

Heute um 06.00Uhr wurde die Elsi mit einem Grossaufgebot der Polizei geräumt. Dies nun zum dritten mal. Die Polizei verschaffte sich gewalltsam Zugangang zum Innenhof und gelangte so in die Häuser.

Die Polizei betitelte diesen Grosseinsatz offiziell als Kontrolle. Eine Kontrolle mit an die drei duzent bewaffneten Politzist*innen, Verkehrspolizei, Feuerwehr und Sanität?

Fragwürdig ist, ob man da von einer Kontolle sprechen kann oder dieser Begriff taktisch eingesetzt wurde, um Vorteile für sich, oder den Besitzer abzusichern.

Die Bezeichnung eines Polizeieinsatzes ist rechtlich relevant. So müsste der Besitzer im Falle einer wiederholten Räumung seiner Liegenschaft die Einsatzkosten tragen. Die Polizei versucht das zu umgehen, indem von einer Kontrolle gesprochen wird.

Von einer Kontrolle wird wohl auch gesprochen um die Grösse des Einsatzes herunterzuspielen und das ganze zu bagatellisieren. Damit sollten sich die Einsatzkosten, die sich wohl im zweistelligen Tausenderbereich befinden, ausgeblendet werden.

Klar steht, dass die Räumung auch im Interesse der Polizei und der Stadtentwicklung steht.

Schwierig ist die Situation auch, da der Besitzer von Anfang an jede Kontaktaufnahme verweigerte und die Besetzer*innen im Ungewissen liess.

Der Leerstand der Elsi ist nun wieder hergestellt und das Leben aus dem Haus vertrieben. Besetzer*innen wurden keine festgenommen. In mehreren Medienberichten wurde von leeren Haeusern geschrieben. Seit Samstag wurde die Liegenschaft belebt, taeglich gab es Programm, der Innenhof wurde eingerichtet, mindestens zwei Personen verbrachten die Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Haus. Kann da von leeren Haeusern gesprochen werden? Muessen sich die Besetzer*innen festnehmen lassen, um ihr Anliegen zu legitimieren?

Statt Probleme der Verdraengung zu loesen, werden wieder Mauern errichtet!

Solidarität mit den Angeklagten vom 24. Juni 2016

gefunden auf barrikade.info:

Solidarität

Am 24. Juni 2016 fand eine Demonstration gegen Rassismus, Repression und Vertreibung statt. Während dieser Demonstration wurden gezielt Institutionen und Firmen, die an den bestehenden Verhältnissen beteiligt sind, angegriffen.
Am selben Abend wurden 14 Personen verhaftet, denen eine Beteiligung an der Demonstration vorgeworfen wird. Davon sassen sieben Menschen mehrere Monate in Untersuchungshaft. Einige Wochen später wurde eine weitere Person eingesperrt. Im Verlauf des Verfahrens wurden weitere vier Personen vorgeladen und mitangeklagt.

Die Empörung gegenüber der stattgefundenen Gewalt gegen Sachen und gegen anrückende Polizist*innen ist heuchlerisch. Gewalt beginnt nicht erst mit dem Werfen von Steinen während einer Demonstration. Die Angriffe des 24. Juni 2016 stehen in keinem Verhältnis zu den tausenden Menschen auf der Flucht, die entweder in Lagern und Abschiebeknästen eingesperrt oder mit der perspektivlosen Situation innerhalb der „Festung Europa“ konfrontiert werden. Wenn die Staatsanwaltschaft mit den Bildern der gewaltbereiten Demonstrant*innen hetzt, dann geht es gleichzeitig darum, die Realität der alltäglichen Gewalt aus den Köpfen der Menschen zu verdrängen.

Wir begrüssen es, dass sich Menschen selbstbestimmt und ohne zu fragen die Strasse genommen haben, um sich gegen bestehende Unterdrückung aufzulehnen. Militanz betrachten wir als ein Mittel, um direkt in Missstände einzugreifen und über einen rein symbolischen Protest hinauszukommen.

Die Repression gegen diese 18 Menschen kann auf keinen Fall als alleinstehend betrachtet werden. Denn Repression ist ein notwendiges Mittel, um das reibungslose Funktionieren einer Gesellschaft, die auf enormen Ungleichheiten aufbaut, zu gewährleisten. Menschen werden aufgrund ihres sozialen Status, ihres Aussehens, einer widerständigen Praxis oder ihrer rechtlichen Situation diskriminiert, bestraft oder eingesperrt. Diese repressiven Mechanismen dienen dazu, dass privilegierte Menschen ihre Privilegien behalten und andere Menschen von diesen ferngehalten werden. Repression ist kein Einzelereignis, sondern alltäglicher Bestandteil unserer Gesellschaft.

In einem Moment, in dem Medien und die Justiz versuchen, uns zu spalten, müssen wir stärker denn je zusammenhalten und unsere Solidarität auf vielfältige Art und Weise ausdrücken. Für uns spielt es keine Rolle, ob die Angeklagten schuldig sind oder nicht. Wehren wir uns gemeinsam, trotz unterschiedlicher Ausgangslagen! Zeigen wir uns solidarisch mit den Angeklagten vom 24. Juni 2016. Zeigen wir, dass unsere Solidarität stärker ist als staatliche Gesetze und Repression.

24. Oktober
Prozessbeginn
Strafgericht 7:30 Uhr
Schützenmattstrasse 20

30. Oktober
Urteilsverkündung
Strafgericht 17:00 Uhr
Schützenmattstrasse 20

Mehr Infos auch hier.

Global Players HdM & Novartis Hand in Hand

via Tageswoche:

Eltern ratlos: Kita muss aus HdM-Haus raus

Die Familea-Kita an der Oetlingerstrasse 2 im Kleinbasel muss schliessen. 32 Kinder verlieren ihren Betreuungsplatz. Die Liegenschaft am Rhein gehört den Architekten Herzog & de Meuron.Kaum hat sich die achtmonatige Myra* an ihre Kita an der Oetlingerstrasse 2 gewöhnt, muss sie schon wieder weg: neuer Raum, neue Betreuerinnen, neue Kinder. Alles beginnt von vorne. Dabei ist das Baby erst im April von der Fachstelle Tagesbetreuung an die Familea-Kita an der Oetlingerstrasse zugewiesen worden.

Vor ein paar Wochen folgte dann die Hiobsbotschaft an die Eltern: Die Kita muss schliessen. Myra und 31 weitere Kinder brauchen eine neue Kita. Grund: Die Eigentümer der Liegenschaft möchten das Haus an Rheinlage doch schon früher renovieren.

Überraschend kurzfristig

Die Beton-Liegenschaft gehört niemand Geringerem als den renommierten Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron. Vergangenes Jahr kauften sie das Haus von einer Novartis-Stiftung. Dem Architektenduo Herzog & de Meuron, das trotz Weltruhm tief mit Basel verbunden geblieben ist, gehören als Privatpersonen zahlreiche Liegenschaften in der Stadt, neben ihrem Hauptdomizil im St. Johann etwa ein Haus an der St. Jakobs-Strasse oder eine Villa beim Wettsteinplatz.

Als die Architekten vergangenes Jahr das Haus an der Oetlingerstrasse 2 kauften, nahmen bei Familea die Verantwortlichen unverzüglich Kontakt mit den neuen Besitzern auf. «Wir haben mit der neuen Eigentümerschaft über eine Weiterführung der Kita verhandelt», sagt Monika Bitterli, Geschäftsführerin der Familea.

Herzog & de Meuron bewerten die Angelegenheit anders, die Stellungnahme findet sich am Ende des Artikels.

Bitterli stellt es dar: Die Eigentümer hätten signalisiert, dass sie in den nächsten zwei bis vier Jahren nicht mit dem Umbau der Liegenschaft beginnen wollen und die Kita somit noch so lange bleiben könne. «Es war alles auf gutem Weg, wir haben sogar den Mietzins besprochen. Im letzten Moment hat sich die Situation aber doch noch geändert.»

Eine Umstellung für Kinder wie Angestellte

Plötzlich entschieden sich Herzog & de Meuron laut Bitterli um, sie wollten doch früher mit dem Umbau der Liegenschaft beginnen. Deshalb muss die Kita per 31. August schliessen. Die Suche nach einer Ersatzliegenschaft war erfolglos verlaufen.

Bitterli bedauert die Schliessung. Im Kleinbasel gebe es ohnehin wenig Kita-Plätze. Die ganze Angelegenheit sei auch für die betreuten Kinder und deren Eltern traurig. «Wir haben uns gemeinsam mit dem Erziehungsdepartement aber sehr um eine gute Lösung für die Kinder bemüht», so Bitterli.

Alle Kinder hätten inzwischen einen Platz in einer anderen Kita – und niemandem werde gekündigt. Mitarbeiterinnen, Lernende oder Praktikantinnen könnten alle an einem anderen Ort weiterbeschäftigt werden. Bitterli sagt: «Es ist schade, dass es so gekommen ist – aber in ein paar Jahren hätten wir sowieso handeln müssen.»

«Alle sind betroffen»

Auch wenn Myra inzwischen einen Platz in einer anderen Kita gefunden hat, ihre Mutter ärgert sich trotzdem über die Situation . «Doof ist, dass sich meine Tochter erneut eingewöhnen muss. Das Ganze ist zudem sehr kurzfristig.» Eine andere Mutter, die ihr Kind an der Oetlingerstrasse betreuen lässt, sagt: «Kinder und Eltern sind sehr traurig. Wir sind alle ziemlich betroffen.»

Unklar bleibt, warum sich das Architektenduo plötzlich umentschieden hat und was es mit der Liegenschaft konkret vorhat. Auf eine Anfrage der TagesWoche haben Herzog & de Meuron trotz mehreren Anläufen nicht reagiert.

So erklärt sich Herzog & de Meuron

Für besagte Räumlichkeiten besteht ein Mietvertrag zwischen uns und der Stiftung der Novartis AG für Erziehung, Ausbildung und Bildung. Es bestand zu keinem Zeitpunkt ein direktes Vertragsverhältnis zwischen uns und Familea. Familea ist Beitreiberin der Kita. Über allfällige Vertragsverhältnisse zwischen Novartis und Familea haben wir keinerlei Kenntnisse und können uns dazu auch nicht äussern. Die Novartis AG hat das Mietverhältnis Ende April 2018 fristgerecht gekündigt. Der Betreiberin der Kita haben wir signalisiert, dass wir grundsätzlich an einem Abschluss eines neuen Mietvertrages interessiert sind, zuerst jedoch eine zufriedenstellende Gesamtlösung für das Objekt und sämtlichen Mietparteien ausarbeiten müssen.

WIr möchten erneut auf die vielen Aktionen hinweisen, die es in den letzten Jahren bereits gegen das Architekturbüro von Herzog & deMeuron gegeben hat.

Solifoto für den Zürcher Anarchisten in U-Haft

Am Abend des 2. April 2018 haben sich ungefähr 30 Menschen zusammen gefunden, um dem seit Ende März inhaftierten anarchistischen Gefährten ihre Solidarität zu bekunden – dies im Rahmen des nun wieder regelmässig stattfindenden Briefeschreibens.

Aus dem Aufruf, gefunden auf Barrikade:

Eine Zeichnung, ein Gedicht, ein Zeitschriftenartikel… ein kleines Zeichen der Solidarität bedeutet den Gefangenen unglaublich viel. Wir sorgen für Papier, Schreibzeug und Briefmarken, stellen euch zusätzlich aktuelle Gefangenen-Listen (international) zur Verfügung und stehen euch beim Schreiben unterstützend zur Seite. Gerne kannst du auch deine eigenen Adressen von Gefangenen mitbringen.

Solidarität mit dem Verurteilten der Freien Strasse

gefunden auf barrikade.info:

Nachfolgend noch ein Text, der während dem Prozess am Freitag, 23. März in den Strassen Basels verteilt und aufgeklebt wurde.

Erinnerst du dich noch…

als damals, vor knapp acht Jahren, im Mai 2010 die Freie Strasse in Basel auseinandergenommen wurde? Wie all die Scheiben dieser Einkaufsstrasse zerdeppert wurden und noch wochenlang danach davon gezeichnet waren? Wie die Medien und die Bullen rumgeheult haben? Wie sie zuerst niemanden erwischen konnten? Erinnerst du dich auch noch an die Molotow-Cocktails, die nur ein paar Wochen zuvor auf den Claraposten geflogen sind? Schon lange ist es her, dieser wilde Mai 2010, doch wissen wir noch genau, wie wir damals darüber gelacht haben, wie wir auch heute noch darüber lachen…

Schon lange ist es her und leider ist es nicht dabei geblieben, dass niemand dafür gefasst wurde. Heute steht ein Mensch unter anderem für die tatkräftige Teilnahme an diesem Umzug vor Gericht. Bereits im September 2016 wurde er aufgrund von gefundenen DNA-Spuren vor dem Strafgericht zu 18 Monaten Haft verurteilt. Heute fällt also das Urteil vor dem Appellationsgericht, das sich direkt neben dieser „Freien“ Strasse befindet. Zusätzlich ist er angeklagt, 2013 während einer Störaktion gegen den Marsch-fürs-Läbe einen Bullen geschubst zu haben, um diesen daran zu hindern, eine Verhaftung durchzuführen. Dieser Marsch-fürs-Läbe, ein christlicher und frauenfeindlicher Zusammschluss, der noch immer nicht mitgekriegt hat, dass Gott tot ist, setzt sich seit Jahren hauptsächlich für das Verbot von Abtreibungen ein.

Heute wird er also vor Gericht verurteilt werden, vermutlich zu mehreren Monaten Knast. Das Gesetz vergisst nichts und weiss alles. Anstelle von uns definiert dieses Ding, anstelle von uns urteilt dieses Objekt. Die richtende Person: nur ein Sprachrohr dieses Gesetzes. Selber denken, selber entscheiden, das ist schon längst nicht mehr gefragt in diesem Universum der Delegation an Institutionen oder Dinge – nein, schlimmer: wir haben gar keine Ahnung, wie das überhaupt gehen würde.

Wir wollen uns aber nicht vorgeben lassen, schon gar nicht unter Drohung, wie wir selbst zu leben haben. Wir haben unsere eigenen Erfahrungen, Kenntnisse und Gefühle, nach denen wir leben und nach denen wir Menschen, ihre Ideen und Handlungen beurteilen wollen. Wir wollen nicht, dass uns unser Vermögen zu denken und zu entscheiden genommen wird, nicht von der Schule, nicht vom Boss, nicht von Papa und auch nicht vom Gesetz. Nein, mehr: Wir rufen dazu auf, all das zu bekämpfen, um endlich und vollständig frei denken, entscheiden und handeln zu können!

Wenn auf ein Symbol des Kapitalismus eingeschlagen wird, der nichts anderes zu bieten hat als blinden Konsum, nein, schlimmer: der uns Blinde bereits konsumiert hat, so freuen wir uns. Nein, mehr: Wir rufen dazu auf! Es wird die Schande dieser Gesellschaft nicht rückgängig machen und sie – zumindest vorerst – auch nicht aufhalten oder beseitigen können, doch sind wir des Weinens, des Schlafens, des Konsumiert-Werdens satt. Wir wollen unseren Hass ausleben und gleichzeitig lieben. Wir wollen kämpfen und gleichzeitig lachen.

Heute steht ein Mensch vor Gericht, weil er es gewagt haben soll, mit dem Gehorsam zu brechen und mit seinen eigenen Überzeugungen und Ideen zurückzuschlagen. Lassen wir ihn nicht alleine mit seinen Träumen, denn er ist nicht der einzige, der vom Gesetz getroffen wird.

Mit einem Grinsen im Gesicht und der Revolte im Herzen gegen diese Welt der Einkaufsstrassen, des Geldes, der Justiz, der Autorität!

Basel, 23. März 2018

18 Monate Knast

Wie es der Zufall will, fand letzte Woche ein Prozess im Zusammenhang mit der wilden Demo in der Freien Strasse statt; gefunden auf barrikade.info:

Update zum Prozess am Freitag 23. März

Am letzten Freitag, 23. März 2018, fand um 8.00 Uhr der Prozess, bezüglich der wilden Demo an der Freiestrasse 2010 und den Protestaktionen gegen den „Marsch fürs Läbe“ 2013, gegen unseren Gefährten im Appelationsgericht in Basel statt. Während er im Gerichtssaal das Justiztheater über sich ergehen lassen musste, wurden in der Stadt Flyer verteilt, Stickers geklebt und Plakate gekleistert. Mit dieser kleinen Geste der Solidarität wurde der Prozess aus dem Gerichtssaal nach aussen getragen.

Hinter den Mauern des Gerichtsgebäudes gaben sich Staatsanwaltschaft und RichterInnen Mühe, die Willkür der Justiz in ihrem vollen Umfang darzustellen. Mit der Argumentation des Gerichts, dass DNA-Spuren auf einem Handschuh hinreichend sind, ihm jegliche Taten anzulasten – egal ob er die Sachbeschädigung selbst begangen hat – trage er die kollektive Schuld mit. Dies anhand der Begründung, dass er aufgrund seiner konsequenten Aussageverweigerung (ähm, war das nicht mal so was wie ein Grundrecht?) ein ideologischer Überzeugungstäter und Wiederholungstäter sei. So bestätigte das Dreiergericht das Urteil der ersten Instanz und verurteilten unseren Freund zu 1.5 Jahren Knast.
Wir sind nicht überrascht. Dass RichterInnen ohne mit der Wimper zu zucken, mit ihren willkürlichen Interpretationen Leben zerstören und Jahre unserer Leben klauen, stärkt nur unsere Ablehnung gegenüber der Justiz und bestätigt die Lächerlichkeit ihrer Tätigkeiten. Trotzdem macht es wütend, dass sie unseren Freund wegsperren wollen. Doch noch mehr verstärtke es unsere Wut, als nach der Urteilsverkündung die Bullen Spalier stehen und ihn direkt im Kastenwagen abführen. Ohne Vorankündigung und Erklärung enführten sie ihn nach Zürich, wo er direkt dem Haftrichter vorgeführt wurde und nun in Untersuchungshaft steckt. Bis jetzt ist lediglich klar, dass es um eine neue Ermittlung der Staatsanwaltschaft D4 Zürich handelt.

Wir sind wütend und vermissen unseren Freund. Betonwände können uns zwar räumlich trennen, doch niemals unsere Ideen und Solidarität!

Zunehmende Repression in Basel

https://tageswoche.ch/allgemein/feindbild-linke-basler-polizei-zieht-schraube-an/

https://tageswoche.ch/form/kommentar/ausser-rand-und-band/

… und hier noch das Interview mit dem neuen Polizeikommandenten Martin Lügt-wie-gedruckt Roth:

https://tageswoche.ch/form/interview/wollen-immer-einen-dialog-fuehren-kommandant-bestreitet-haertere-gangart-gegen-linke/

Cops can’t dance: Zu den Verhaftungen an der Mattenstrasse

via Tageswoche:

Zwei Nächte Knast für eine laute Party – Polizei-Einsatz wirft Fragen auf

Nach zwei Lärmklagen an der Mattenstrasse rückte die Polizei mit einem Grossaufgebot aus und nahm fünf Personen fest. Diese wollen nun gegen die Polizei vorgehen.

Es sollte eine nette Überraschungs-Party werden. Doch die Party endete für fünf Besucher in einer Polizeizelle. Wofür die Polizei ihn festnahm, weiss Lino Bally auch eineinhalb Wochen nach jenem Samstag noch nicht genau. Er hat bisher keine Anzeige erhalten, keinen Polizeirapport gesehen.

Wir sitzen in der Wohnung an der Mattenstrasse 76, wo die Party stattfand. Bally erzählt, wie es so weit kam: «Wir wollten einen Freund überraschen, der ein halbes Jahr im Ausland war. Etwa 30 Leute kamen in die WG, wir hatten einen DJ, die Stimmung war heiter und es war sicher auch laut.»

Um Mitternacht kam die Polizei ein erstes Mal. Der DJ drehte die Musik leise, die Feiernden schauten aus dem dritten Stock auf die Strasse und sprachen von dort aus mit den Polizisten. Sie sollten die Musik ausmachen, erklärten die Polizisten. Die Feiernden folgten.

Doch kaum war die Polizei fort, wurde die Musik wieder laut. «Wir haben die Party in ein anderes Zimmer verlegt, um für die anliegenden Nachbarn die Lautstärke zu dämpfen», sagt Bally.

Das war gut gemeint, funktionierte aber nicht. Um 3 Uhr nachts kam die Polizei zum zweiten Mal. Dieses Mal mit fünf Fahrzeugen, davon zwei Kastenwagen, erinnert sich Bally. Etwa 20 Polizisten seien aus den Autos gestiegen und schnurstracks zum Hauseingang gelaufen.

Was in den nächsten 15 Minuten passierte, ist umstritten. Die Version von Bally geht so:

«Einige Partygäste gingen nach unten und versuchten bei der Eingangstüre mit der Polizei zu sprechen. Als ich unten ankam, habe ich mit einem Polizisten geredet. Ich habe ihm gesagt, dass die Musik bereits aus sei und wir die Party beenden. Den Polizisten schien das nicht zu interessieren. Ich sah, wie andere Polizisten versuchten, Leute durch die Türe zu zerren und durch den Hauseingang nach draussen zu bringen. Als ich sah, wie Freunde von mir wie Schwerverbrecher abgeführt wurden, bin ich zu den Polizisten hingelaufen und habe mich in den Weg gestellt: ‹Was macht ihr da?›, habe ich gefragt. Darauf habe ich keine Antwort erhalten. Vielmehr wurde ich von hinten zu Boden gestossen und in Handschellen gelegt.»

Ein Handyvideo zeigt, wie Bally anschliessend festgenommen wird. Sechs Polizeibeamte, zwei davon knien auf den Beinen von Bally, legen ihm Handschellen an. Der Festgenommene trägt keine Schuhe, diese habe er zuvor beim Feiern ausgezogen, sagt Bally.

Die Version der Polizei klingt anders. Polizeisprecher Martin Schütz erklärt den zweiten Polizeieinsatz kurz vor 3 Uhr in der Früh so:

«Dort verhielten sich einzelne Personen dann aber nicht mehr so kooperativ wie vorher; aus diesem Grund kam es in einem sich der Situation anpassenden Polizeieinsatz zu den fünf Anhaltungen und später Festnahmen. Während dieses Einsatzes musste die Kantonspolizei keine Mittel einsetzen; es wurde niemand verletzt.»

Schütz spricht davon, dass «die vorwiegend jungen Anwesenden der Partyszene und teilweise der linksextremen Szene zuzuordnen» gewesen seien. Diese Einschätzung führte wohl dazu, dass die Polizei beim zweiten Mal mit verstärktem Aufgebot an der Mattenstrasse aufkreuzte.

Was danach geschah, ist nicht umstritten. Die Polizei fuhr die Festgenommenen zum Claraposten. Dort verblieb Bally nach eigenen Aussagen drei bis vier Stunden in der Ausnüchterungszelle. Er musste einen Alkoholtest machen, das Messgerät zeigte 0,8 Promille – ein Wert, der bis vor ein paar Jahren die Grenze der Fahrtüchtigkeit markierte.

Dann wurde er zur Staatsanwaltschaft (Stawa) an der Binningerstrasse gefahren, wo Bally eine DNA-Speichelprobe abgeben musste. Das, weil gegen ihn «der dringende Verdacht einer schweren Straftat besteht», so steht es auf dem Merkblatt, das Bally erhielt.

Bei der Einvernahme am Sonntagnachmittag erfuhr der 24-Jährige, dass er und seine Freunde wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Hinderung einer Amtshandlung festgenommen worden waren.

Die Stawa entschied, die fünf Festgenommenen über Nacht in Polizeigewahrsam zu behalten. Die Gründe dafür sind unklar.

Am Sonntagabend kam eine Gruppe von etwa 40 Personen vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft zusammen, um gegen die Festnahmen zu protestieren. «Telebasel» berichtete über die unbewilligte Kundgebung, ohne den Grund für die Festnahmen zu kennen:

Maximal 48 Stunden in Polizeigewahrsam

Am Montagmorgen wurde Bally um 8 Uhr freigelassen – nach etwa 28 Stunden in Polizeigewahrsam. Die übrigen vier Verhafteten wurden danach zeitlich gestaffelt freigelassen, der letzte um 16 Uhr – nach zirka 36 Stunden.

Festgenommene dürfen laut Gesetz 48 Stunden in Polizeigewahrsam gehalten werden. Danach ist ein richterlicher Haftbefehl notwendig.

Dass Bally und seine Freunde so lange in Haft ausharren mussten, ist für Christian von Wartburg unverständlich. Der Anwalt und SP-Grossrat vertritt die Festgenommenen und will allenfalls wegen unangemessener Polizeigewalt gegen die Gesetzeshüter vorgehen.

Von Wartburg sagt: «Bei massiver Gewalt gegen Polizeibeamte wäre ein längerer Aufenthalt in Polizeigewahrsam für mich nachvollziehbar.» Falls es, wie die Beteiligten berichten, bei den Vorfällen aber nur um Ruhestörung ging, sei der lange Aufenthalt «sicherlich nicht verhältnismässig».

Dies selbst dann, «wenn bei diesem Einsatz ein Tatverdacht wegen Hinderung einer Amtshandlung entstanden wäre, weil die Beteiligten den Anweisungen der Polizei nicht sofort Folge leisteten».

«Nicht jeder kann sich wehren»

Bally ärgert, dass er und seine Freunde als Linksextreme gebrandmarkt werden. «Dazu gibt es keinerlei Anlass. Ich bin Aktivismus sicher nicht abgeneigt – aber immer gewaltfrei. Genauso schätze ich die Besucher der Party an jenem Samstag ein.» Die Mattenstrasse sei kein besetztes Haus. Alle Bewohner verfügten über Mietverträge.

Er sei auch noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Schliesslich wolle er sich auch deshalb gegen das Polizeivorgehen wehren, weil der Einsatz «völlig unverhältnismässig» gewesen sei. «Ich weiss: Nicht jeder kann sich gegen Polizeigewalt wehren. Wir sind privilegiert, darum müssen wir es auch tun.»

Farbe gegen Polizeiposten

gefunden auf Barrikade.info:

Farbangriff auf Hammerposten im Kleinbasel

Da die scheiss Bullen die ganze Zeit überall aufkreuzen, Demos kesseln und auflösen, Besetzungen räumen und ihre erbärmliche Existenz generell nervt, haben wir ihnen um Mitternacht farbige Neujahrsgrüsse an die Wand geklatscht.

Gege Bulle im 4057 und überall sunscht!

Die Silvesternacht war auch sonst von widerständigen Akten geprägt: Zu „früher Stunde“ wurde das Arbeitsamt (RAV) entglast (s. Communiqué), was sich thematisch in die verhinderte Demo „Zämme gege Repression“ einreiht.

Urteile im Voina-Prozess

(siehe auch diese Stellungnahme im Vorfeld des Prozesses)

via Tageswoche:

Freiheitsstrafen für Vertreibung russischer Anarcho-Künstler

Weil sie eine russische Künstler-Gastfamilie mit Gewalt aus ihrer Hausgemeinschaft in Basel geworfen haben, hat das Basler Strafgericht acht Angeklagte zu Freiheitsstrafen und Bussen verurteilt. Für zwei Personen gab es einen Freispruch.

Die Strafen – unter anderem wegen Freiheitsberaubung, mehrfacher Entführung, Raub, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Angriff – wurden in allen Fällen bedingt ausgesprochen [Anm. DMID: Das ist falsch. Eine Person erhielt eine unbedingte Gefängnisstrafe von einem halben Jahr]. Die Probezeit beträgt zwischen zwei und vier Jahren.

Die höchste Freiheitsstrafe von 24 Monaten bedingt auf vier Jahre erhielt eine 30-jährige Frau. Die Staatsanwaltschaft hatte neben dem Vorfall in der Wohngenossenschaft an der Wasserstrasse auch Delikte bei Zusammenrottungen Linksradikaler in Basel und Zürich in die Anklage gepackt. Eine früher bedingt ausgesprochene Geldstrafe muss die Verurteilte nun bezahlen.

In den übrigen Fällen, in denen das Strafgericht eine Freiheitsstrafe aussprach, wurde diese auf neuneinhalb bis zwölfeinhalb Monate ausgesprochen.

Anklage wegen umstrittener Videobilder

Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Anklage vor allem auf Videobilder abgestellt, welche die vertriebenen Russen mit einer versteckten Kamera aufgezeichnet hatten. Die Verteidiger hatten in einer zum Teil chaotisch verlaufenen Verhandlung vergeblich darauf plädiert, dass diese Aufnahmen als Beweismaterial nicht zugelassen werden dürften.

Die rausgeschmissenen Russen hatten sich erst als Privatkläger in die Verhandlung einbringen wollen, sind dann aber nicht aufgetaucht. So konnten sie auch nicht als Zeugen befragt werden.

Gegen die Zulassung des Videos als Beweismaterial ist eine Beschwerde beim Appellationsgericht hängig.

„Türki“ geräumt!

gefunden auf Indymedia Linksunten:

Die Eigentümerin Yatu Immobilien AG hat uns ohne Vorwarnung aus der Türkheimerstrasse 71-75 resp. Schlettstadterstrasse 18 von der Polizei räumen lassen. Anstatt mit uns lösungsorientiert zu kommunizieren, wollte sich die Eigentümerschaft nicht der öffentlichen Aufmerksamkeit stellen. Sie verweigern mit der Räumung und dem unbewilligten Mauerbau jegliche Stellungsnahme der laufenden Kritik.

Die kunterbunte Hausbesetzung musste wie viele andere Projekte der profitorientierten Stadtentwicklung weichen. Antikapitalistische Kritik, egal in welcher Form, wird seit Jahrzehnten als Randphänomen herabgetan. Doch das vermindert nicht unser Streben nach einer anderen Lebensweise mit menschlichen Grundprinzipien wie Solidarität, Freiraum und Selbstbestimmung. Diese Bedürfnisse können weder mit einem Räumungsbefehl verdrängt, mit einer Mauer verbaut, noch von Gesetzen illegalisiert werden.

Unsere Bedürfnisse erläutern wir nun klar für die Öffentlichkeit.

Da sich die Zahl der Menschen auf der Welt stetig erhöht und bezahlbarer Wohnraum in unserer Stadt immer wie mehr verschwindet, werden täglich Leute aus ihrem Umfeld gerissen und auf die Strasse gestellt. Der Grund dafür liegt ganz klar auf der Hand. Unsere Stadtpolitik interessiert sich nur für den Höchstbietenden. Das jetzige Immobiliensystem ist äusserst lukrativ für Menschen und Institutionen, die bereits viel Geld besitzen. Häuser werden wie wild abgerissen, neu gebaut oder totalsaniert, um die höchstmögliche Rendite herauszuholen.

Auf der anderen Seite stehen wir, die BewohnerInnen, welche immer höhere Mieten zu bezahlen haben. In diesem Prozess geht sowohl die Wohn- als auch die Lebensqualität verloren. Denn die Menschen, die diese Stadt ausmachen, müssen weichen und die Höchstzahlenden dürfen ihre Luxuswohnungen geniessen. Doch was passiert dann mit den Menschen, die Tag für Tag arbeiten und keinen bezahlbarem Wohnraum mehr finden? Oder schlimmer noch: Ihr ganzes Leben für die Stadt gearbeitet haben, jetzt von einer mickrigen Pensionskasse leben und genau von dieser rausgeknallt werden, wie das Beispiel an der Mülhauserstrasse 26 aufzeigt. Wir lehnen die Praxis der jetzigen Stadtentwicklung ab.

Wie kann es sein, dass die Regierung zulässt, dass Grosskonzerne und willkürliche Spekulanten unsere Stadt formen, ohne jegliche Rücksicht handeln und keine Perspektiven schaffen. Die bestehende Möglichkeiten, sich gegen solche Vorhaben zu wehren finden auf juristischem Wege statt, doch ohne finanzielle Mittel bleiben einem diese verwehrt.

Deshalb sehen wir auch weiterhin Besetzungen als legitimes Mittel, um dem entgegen zu wirken.

Unsere Wege, Widerstand zu leisten, sind vielfältig.

Wir leben in einer Gesellschaft die darauf ausgelegt ist, dass das Individuum nach der maximalen Umsetzung seiner Interessen strebt. Dabei ist das Problem, dass Interessen von den Reichen und Unternehmen höher gewichtet werden als die von einfachen BewohnerInnen.

Aus dieser allgemeinen Feststellung und unserem Wissen, dass wir nicht zu den Privilegierten gehören, sind wir gezwungen uns dagegen zu organisieren.

Das Ziel unserer Handlungen ist es, Räume und Strukturen zu erschaffen, die anders funktionieren. Diese sind darauf ausgerichtet, die Interessen und Bedürfnisse Aller selbstbestimmt und kollektiv umzusetzen. Darin wollen wir einen Gegenvorschlag zu den vorherrschenden Besitz- und Machtverhältnissen schaffen. Hierbei gibt es viele verschiedene Ebenen: Einerseits geht es um den Widerstand gegen die allgemeine Stadtentwicklung und dabei um die Frage, nach welchen Interessen diese Stadt gestaltet und geplant wird. Es geht aber auch um ein Aufbrechen der Isolation der Menschen in unserer Gesellschaft: Menschen, die im kapitalistischen System als unproduktiv gelten, werden in diverse strukturelle Einrichtungen abgeschoben. Sprich: Kinder gehen in die Tagesstätte, problematische Teenager ins Wohnheim und Betagte ins Altersheim.

Unser Freiraum lebt durch das miteinander Denken, Handeln und Leben. Er lebt durch Kommunikation, bestehend aus einem Austausch von Bedürfnissen, Wünschen, Ideen und dem darauf Eingehen was jedes einzelne Individuum, welches in diesem Freiraum verkehrt, zu sagen hat. Dies führt zu Absprachen, Konsens und Einverständnis.

Es ist ein Raum, frei von Verachtung und Respektlosigkeit wie Rassismus und Sexismus. Jede Person wird als Persönlichkeit wahrgenommen und respektiert. Um solch eine Grundlage zu schaffen, werden jegliche Formen von Hierarchie gemieden. Es ist ein Raum, der Verteilung und Teilung von Verantwortung, Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Gütern. Dies erübrigt jeden Nutzen von Geld und Konsum. In einem Freiraum wird die Infrastruktur und die Anordnung von Räumlichkeiten so organisiert, dass eine Nutzung möglichst selbständig und anregend ist. Es ist ein Raum, wo Menschen in einem respektvollen Umgang mit ihrem Umfeld leben und mit ihm aktiv in Kontakt treten.

Freiräume sind für uns essentiell, um unsere Träume leben zu können. Deshalb lassen wir uns nicht verdrängen.

Sie bauen Mauern, wir reissen sie nieder. Sie brechen ab, wir brechen auf und nehmen unsere Utopien mit. Wir werden diese leben, komme was wolle.

https://www.vice.com/alps/article/wir-waren-im-besetzten-haus-in-basel-d…

https://linksunten.indymedia.org/node/208865

https://www.tageswoche.ch/de/2017_14/basel/747090/Unerw%C3%BCnschte-Quar…

https://telebasel.ch/2017/04/04/mit-socke-gegen-hausabriss/

https://telebasel.ch/2017/04/05/schutz-vor-hausbesetzern-mit-mauern/

https://telebasel.ch/2017/04/06/ultimatum-fuer-besetzer-der-tuerkheimers…

Dasselbe gibt es auch als Videocommuniqué (Abspielen mit Rechtsklick-Abspielen):
https://vid.me/RB6Z

Solidarität mit der Mülhauserstrasse 26

als Flyer in Briefkästen verteilt:

Keine Massenkündigung der Bewohnerschaft an der Mülhauserstrasse 26

Liebe Nachbarinnen, liebe Nachbarn, liebe solidarische Menschen

Am 17. März 2016 kündigte die Pensionskasse Basel-Stadt, vertreten durch die Immobilien Basel-Stadt, unerwartet mit einer Massenkündigung 21 Mietverhältnisse der Wohnungen an der Mülhauserstrasse 26 auf den 30. September 2017. Wir wehren uns gegen die Massenkündigung unserer Wohnungen.

Die Pensionskasse Basel-Stadt plant eine profitorientierte Gesamtsanierung mit Eingriffen in die Bausubstanz. Der Mietpreis pro Quadratmeter wird sich massiv erhöhen. Es ist nicht vorgesehen, dass die jetzigen MieterInnen nach der Sanierung wieder in ihre Wohnungen zurückgehen. Unser Haus ist weitgehend in Ordnung und kleinere Reparaturen zur Werterhaltung sind auch ohne unseren Rausschmiss möglich. Wir kritisieren die Vorgehensweise und auch das gesamte Umbauprojekt der Pensionskasse. Wenig-Verdienende und Pensionierte kommen nicht mehr als MieterInnen in Betracht. Die neuen Wohnungen sind nur auf Gut-Verdienende zugeschnitten.

In unserem Haus wohnen wir zum Teil seit fast 50 Jahren in ausgezeichnetem Verhältnis miteinander. Wir durften zusammen alt werden – bis jetzt. Manche von uns sind über 70 Jahre alt und zwei von uns sogar schon über 90. Gerade im hohen Alter und im Falle von Krankheit profitieren wir von der Zuwendung unter Nachbarn und Nachbarinnen. Auch neuere Mieter und Mieterinnen haben sich hier gut eingerichtet und eingelebt. Die Kinder gehen in die Schule und schätzen das Leben im St. Johann. Mit der Kündigung und den damit verbundenen Ängsten werden wir auseinandergerissen und vereinsamen. Die Pensionskasse hat jahrzehntelang das Geld unserer Altersvorsorge eingenommen und zahlt uns nun monatlich eine kleine Pension aus. Es ist ein Hohn, dass uns genau diese Pensionskasse als Eigentümerin der Liegenschaft aus den Wohnungen wirft.

Die Mieten, die überall steigen, können wir uns nicht leisten! Wir wollen bleiben!

Vieles haben wir bereits versucht, um uns gegen den plötzlichen Rausschmiss zu wehren, doch die Pensionskasse und die Verwaltung Immobilien Basel sind zu keinerlei Dialog bereit.

Zusammen mit solidarischen Nachbarn und Nachbarinnen im St. Johann möchten wir auf unsere Situation aufmerksam machen und die Pensionskasse Basel Stadt dazu bewegen, die Massenkündigung sofort und vollumfänglich zurückzunehmen. Unterstützt uns und unterschreibt auf der Rückseite dieses Briefes. Zudem verteilen wir kleine Transparente, die ihr bei euch aus dem Fenster hängen könnt, um eure Solidarität mit uns zu zeigen. Transparente können tagsüber bei Urs & Ursula Wigett, Mülhauserstrasse 26, oder jeden Mittwoch von 17 bis 20 Uhr in der Wasserstrasse 39 (EG) abgeholt werden.

Wir laden alle herzlich zum gemeinsamen Kuchenplausch ein, um über unsere Situation zu informieren: Am Samstag den 12. November zwischen 14 und 16 Uhr an der Mühlhauser’ 26

Herzlichen Dank für eure Hilfe,

eure Nachbarn und Nachbarinnen aus der Mülhauserstrasse 26

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Siehe auch folgende Hintergrundartikel der Tageswoche:

  • Basel: Kein Platz für alte Leute Die Leidtragenden von Sanierungen und Massenkündigungen sind häufig ältere Mieter. Sie fallen auf dem Basler Wohnungsmarkt durchs Raster. Das liegt auch an der Politik – und an klischierten Vorstellungen über das Wohnen im Alter.
  • Immobilien Basel-Stadt: «Wir bedauern die Kündigungen ausserordentlich» 22 Mietparteien an der Mülhauserstrasse 26 haben von Immobilien Basel-Stadt die Kündigung erhalten – so auch viele ältere Menschen. Die staatliche Liegenschaftsverwalterin betont, dass die Kündigungen unausweichlich seien.
  • Kanton will mehr Rendite und stellt 91-Jährige vor die Tür Die Mieter an der Mülhauserstrasse 26 werden per Massenkündigung aus ihren Wohnungen geworfen. Der kantonale Liegenschaftsverwalter Immobilien Basel-Stadt will umbauen und mehr Profite erwirtschaften. Betroffen von der Kündigung sind viele ältere Menschen, die seit fast 50 Jahren im Haus wohnen.

Teilerfolg für Häuser am Steinengraben

via Tageswoche:

Wie es mit der Häuserzeile weitergeht, ist noch offen: Sowohl die Eigentümerin Helvetia wie auch der Mieterverband verbuchen einen Teilerfolg und wollen den jüngsten Entscheid der Baurekurskommission anfechten. Zudem erheben die Nachbarn aus Haus Nummer 36 Vorwürfe an den Versicherungskonzern: Dieser lasse wertvollen Wohnraum ungenutzt und setze die Mieter unter Druck.

Es waren Welten, die im Hinterhof der alten Liegenschaft aufeinanderprallten: Der Anwalt der Eigentümerin höhnte über den aus seiner Sicht «ungepflegten Zustand» des Gartens und des Kellers. «Das ist ein privater Raum und kein Ikea-Geschäft», entgegnete ihm darauf eine Bewohnerin. Zu solchen Szenen kam es am 31. August bei der Augenscheinverhandlung der Baurekurskommission (BRK) am Steinengraben 30 bis 36. An der Leonhardsstrasse 27 steht ein weiteres Haus, das zur Parzelle gehört, derzeit aber nicht genutzt wird.

Geht es nach dem Willen der Eigentümerin, dem Versicherungskonzern Helvetia, soll die Häuserzeile einem Neubau mit Büros und Wohnungen weichen. Die Bewohner, die einem Zwischennutzungsvertrag unterstehen, haben das zusammen mit dem Mieterverband angefochten.

Jetzt liegt der Entscheid der BRK auf dem Tisch.

Dabei beanspruchen beide Parteien einen Teilsieg für sich: So halten etwa die rekurrierenden Bewohner in einer gemeinsamen Erklärung fest, dass ihnen teilweise recht gegeben worden sei. Damit sehen sie sich bestätigt, dass ihr «Widerstand gegen das Bauprojekt» nötig war. Helvetia-Sprecher Hansjörg Ryser sieht das anders: «Mit grosser Genugtuung nehmen wir zur Kenntnis, dass die BRK den Entscheid der Vorinstanz in allen wesentlichen Punkten gestützt hat.»

Die Sache mit der Wohnfläche: Helvetia bekommt recht

Dabei sind beide Versionen richtig: In drei Punkten entschied die Kommission nämlich zugunsten von Helvetia. In Sachen Wohnfläche, Denkmalschutz und Naturschutz wurden die Einwände der Rekurrenten somit abgewiesen. Bei einem vierten Punkt, der aber noch folgenreich sein könnte, bekamen jedoch die Rekurrenten recht.

Aber der Reihe nach.

Laut Wohnraumfördergesetz (WRFG) muss bei Neubauten die verlorene Wohnfläche kompensiert werden. Was deren Berechnung anbelangt, hat der Mieterverband Kritik geäussert: Maschinenräume, Parkhaus- und Liftfläche sowie der Bestandesbau würden ebenfalls dazugezählt, was die Angaben über den tatsächliche neu geschaffenen Wohnraum verzerre.

Die BRK lässt diesen Einwand nicht gelten und hält fest, dass die Berechnung auf die gesamte Parzelle und das Projekt bezogen werden müsse. Nebennutzungsflächen zur Erschliessung der Wohnungen müssten auch miteinbezogen werden. Somit kommt die Kommission zum Schluss, dass der Neubau mehr Wohnraum schafft.

Häuser werden nicht als schutzwürdig betrachtet

Auch beim Denkmal- und Stadtbildschutz beissen die Mieter auf Granit: Die BRK spricht der Häuserzeile aus dem 19. Jahrhundert die «grundsätzliche Qualität» nicht ab. Aufgrund der Güterabwägung gelangt sie aber mit der Denkmalpflege zum Schluss, dass sie nicht schutzwürdig sei. Ohnehin hätten die Gebäude an der Verkehrsachse mit Grossbauten ihren Stellenwert verloren.

Beat Leuthardt, Co-Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverband (MV Basel) sieht es genau umgekehrt: «Gerade deswegen sollte man doch retten, was man noch hat.» Er vergleicht die Häuser mit den historischen Dampfschiffen auf Schweizer Seen: «Gerade weil sie einen Seltenheitswert haben, besteht ein grosses Interesse an jedem noch erhaltenen Exemplar», kommentiert er den Entscheid.

Beim Argument Naturschutz konnten sich die Rekurrenten auch nicht durchsetzen: Die Stadtgärtnerei betrachtet den Garten zwar als schützenswertes Naturobjekt. Gleichzeitig bemerkt sie aber, dass sich ein Schutz der bestehenden Grünfläche als unverhältnismässig erweisen würde und beim Neubau wiederhergestellt werden könne.

Bäume könnten die Pläne von Helvetia gefährden

In einem Punkt können die Mieter aber einen Erfolg verbuchen: Eventuell werden die Bäume im Garten der Bauherrschaft der Helvetia einen Strich durch die Rechnung machen. Während die Stadtgärtnerei zum Schluss kommt, dass Ersatzpflanzungen möglich seien, vertritt der Sachverständige für Baumschutz einen anderen Standpunkt.

Die Fläche, die nicht für die Tiefgarage unterkellert wird, biete zu wenig Platz für den Wurzelschlag. Daher meint die BRK, dass der Neubau von Helvetia sich «in dieser Hinsicht als nicht bewilligungspflichtig» erweise. Wolle der Bauherrr das Vorhaben weiterführen, so müsse er das Projekt entsprechend anpassen.

Genau in diesem Punkt sieht Beat Leuthardt eine Chance für die jetzigen Bewohner: «Das könnte die Pläne der Gegenseite gefährden.» Um die Ersatzpflanzungen zu garantieren, könne nämlich die Tiefgarage nicht so gross wie geplant gebaut werden. Dies hätte wiederum Folgen für den gesamten Neubau, der somit an Wohnfläche verlieren würde.

Beide Parteien wollen weiterkämpfen

Den Entscheid zu den Bäumen möchte Helvetia so nicht stehen lassen: Wie Hansjörg Ryser festhält, sei die Beanstandung der Ersatzbepflanzung nicht nachvollziehbar. Das Unternehmen werde deshalb den Entscheid der BRK in diesem Punkt anfechten.

Auch die Gegenseite will sich nicht geschlagen geben: Wie Beat Leuthardt sagt, hat der Basler Mieterverband beim Verwaltungsgericht bereits Rekurs gegen den Entscheid der BRK angemeldet. Er sieht dabei die eigentliche Idee hinter dem Wohnraumfördergesetz verletzt: «Helvetia missbraucht am Steinengraben die gesetzliche Möglichkeit, höher zu bauen für noch mehr Büroraum», sagt Leuthardt. Davon stehe aber in Basel eh schon zu viel leer. «Dass eine gerichtliche Instanz ernsthaft behauptet, Parkplätze oder ein Liftmaschinenraum seien Wohnfläche, ist schon fast surreal.»

Belässt Helvetia renovierte Altbau-Wohnungen in Brache?

Kritik am Versicherungskonzern ist auch aus dem Haus Nummer 36 zu hören. Dessen einzige Mietpartei ist einem anderen Vertrag unterstellt und hat daher nichts mit dem Baurekurs der Nachbarn zu tun. Wer das Gebäude betritt, trifft auf ein ansehnliches Innenleben: Heimelige und geräumige Altbauwohnungen, ausgestattet mit neuen Badezimmern, Küchen und Fenstern.

All dies wurde zusammen mit den Leitungen innerhalb der letzten 15 Jahre renoviert. Trotzdem herrscht im Haus weitgehend gähnende Leere. Die einzigen beiden verbliebenen Mieter in den oberen Stockwerken, Aline Burckhardt und Alexander Lexow, werden Ende November ausziehen.

Aline Burckhardt kennt das Haus von Kindesbeinen an: Sie ist hier aufgewachsen und ihr Urgrossvater lebte schon in der Liegenschaft. Ihr Vater verkaufte das Haus vor vier Jahren an das Versicherungsunternehmen Nationale Suisse, welches dann von Helvetia übernommen wurde. Die Tochter war mit diesem Entscheid nicht einverstanden, konnte aber als Mieterin bleiben.

«Wir sind keine Hausbesetzer»

Damit ist bald Schluss: Eigentlich hätten Burckhardt und Lexow schon früher die Zügelkisten packen müssen. Die beiden haben Einsprache erhoben, und als diese dann nach der Übernahme von Nationale Suisse als nichtig erklärt wurde, nahmen sie einen zweiten Anlauf. «Die Einsprache mussten wir dann zurückziehen», sagt Burckhardt. «Bei der Schlichtungsstelle wie vor dem Zivilgericht konnten wir leider nicht erreichen, dass wir bleiben können, bis eine Baubewilligung ausgesprochen wird.»

Ob das Haus nach ihrem Auszug zugemauert wird oder doch noch Nachmieter kommen – dazu möchte sich die Helvetia nicht äussern. Für die beiden Bewohner ist es jedoch unverständlich, weshalb die Eigentümerin das Haus partout leer haben möchte, wenn doch noch gar keine Baubewilligung steht.

«Wir sind keine Hausbesetzer – wir wollen einfach so lange wie möglich hier bleiben und uns um das Haus kümmern», sagt Aline Burckhardt. Eine neue Wohnung hat sie bereits, zudem möchte sie die Sache nicht mehr weiterziehen – zu nervenzerreibend sei das ganze Hin und Her gewesen.

Helvetia-Anwalt massregelt Nachbarn als «Trittbrettfahrer»

Zudem kritisiert sie, dass Helvetia versucht habe, jegliche Kritik zum Verstummen zu bringen. Der Advokat, der die Firma vertritt, ermahnte etwa Burckhardt und Lexow mit harschen Worten. Im Mai dieses Jahres warf er ihnen in einem der TagesWoche vorliegenden Brief vor, sich in «unsachgemässer Weise» gegenüber seiner Mandantin verhalten zu haben.

Der Anwalt sah es als inakzeptabel an, dass die Mieter vom Haus 36 als «Trittbrettfahrer» von Personen, die das Helvetia-Bauvorhaben «verzögern und diese damit schädigen», profitieren zu wollen.

Offensichtlich war es der Eigentümerin ein Dorn im Auge, dass sich die Mieter mit den Rekurrenten von nebenan austauschten. Aline Burckhardt sieht diese Vorwürfe als unberechtigt: «Unsere Interpretation ist eher, dass wir uns immer wieder getraut haben nachzufragen, ob wir länger bleiben dürfen.»

Sie sieht darin und in weiteren Briefen zwar keinen direkten Maulkorb, aber «dass wir mit unseren Nachbarn zusammengespannt haben, war immer inoffiziell und ist somit eine Unterstellung».

Auf diese Kritik der beiden Bewohner möchte Helvetia nicht eingehen. Wie Hansjörg Ryser festhält, wolle man die Korrespondenz mit den Mietern nicht in der Öffentlichkeit führen. «Wir betonen jedoch, dass wir zu keiner Zeit und in keiner Weise Druck auf die Mieter ausgeübt haben, weder direkt noch indirekt», sagt Ryser.

Zudem werde man die vom Neubauprojekt betroffenen Liegenschaften bis zum Baubeginn «in geeigneter Form» weiter nutzen. In welcher Art das geschehen soll, wurde jedoch nicht kommuniziert. Während die Verhandlungen von den Bewohnern der Häuser 30 bis 34 weitergezogen werden, bleibt also vorerst unklar, was mit den Wohnflächen in Nummer 36 geschehen wird.